Landwirt aus Leidenschaft: Winninghäuser führt den jahrhundertealten Familienbetrieb weiter
Winninghausen. Es gibt nicht mehr viele Landwirte in und um Barsinghausen. Doch in den vergangenen Jahren lässt sich ein Generationenwechsel beobachten. Der Nachwuchs übernimmt die Höfe der Eltern – in einer Zeit, in der auch die Landwirtschaft einem starken Wandel unterworfen ist. Warum wählen junge Menschen diesen jahrtausendealten Beruf? Wir haben mit Gerald Henjes gesprochen. Er leitet seit zwei Jahren den Familienbetrieb in Winninghausen. Für ihn hat sich damit ein Kindheitswunsch erfüllt.
Direkt unterhalb des Bahnübergangs liegt der einzige noch verbliebene Vollerwerbshof in Winninghausen: früher noch mit Tieren und seit den Siebzigerjahren reiner Ackerbaubetrieb. Dort ist der jetzt 31-jährige Gerald Henjes zusammen mit seiner älteren Schwester aufgewachsen. Das Wohnhaus steht seit 1759 und ist denkmalgeschützt. Seit mehreren Generationen führt Familie Henjes ihren landwirtschaftlichen Betrieb, und für den Junior stand schon immer fest: „Hier will ich später auch arbeiten“. Als kleiner Junge ist er mit aufs Feld gefahren und hat in den Ferien mit angepackt. „Zum Helfen war ich nie verpflichtet, in den Urlaub fahren war auch okay, aber ich hatte Spaß an der Arbeit draußen“, sagt Henjes und erinnert sich mit einem Lächeln an seine Kindheit zurück.
Bereits vor seinem Realschulabschluss an der Lisa-Tetzner-Schule und dem Abitur in Hildesheim war also klar, in welche berufliche Richtung es gehen soll. Zunächst absolvierte Henjes eine Ausbildung zum Landwirt. Die Hälfte der Zeit verbrachte er auf einem Kartoffelanbaubetrieb in Burgdorf und wechselte danach in einen Hamburger Saubetrieb. Somit erlernte er den pflanzlichen und tierischen Part seines jetzigen Berufes. In Freising und Bingen am Rhein studierte er Landwirtschaft und Agrarwirtschaften. Dazu kam ein Masterstudium in Halle an der Saale. Gerald Henjes ist auf seinem Bildungsweg gut herumgekommen in Deutschland und trotzdem führte es ihn zurück in die Heimat, so wie er es schon immer geplant hatte.
Doch anders als seine Eltern Heinz und Ulrike Henjes, lebt er selbst nicht mehr auf dem Familienhof, sondern nebenan in Hohenbostel. Gerald Henjes übt auch noch einen weiteren Beruf aus. Er arbeitet in einem Ingenieurbüro und verbringt dort – von der Erntezeit abgesehen – die meiste Zeit seines beruflichen Alltags. Wenn seine Mutter irgendwann ihre Stunden reduziert, will er sukzessive aufstocken.
Am 1. Juli 2022 hat er offiziell die Geschicke des Betriebs von seinen Eltern übernommen. Trotzdem kümmert sich seine Mutter weiterhin die meiste Zeit um die Arbeit auf dem Feld, zusammen mit einer Auszubildenden. Der Sohn übernahm nach der Erkrankung seines Vaters die Aufgaben im Büro: „Ich kümmere mich um den Einkauf von beispielsweise Dünger, Saatgut, Diesel, Pflanzenschutzmittel oder Maschinen.“ Auch der Verkauf der Erzeugnisse, das Dokumentieren aller Arbeitsschritte und das Schreiben von Anträgen gehören zu seinem Job.
„Das Geld verdient man eigentlich im Büro“, erklärt Henjes und nennt ein Beispiel: Der Verkauf der Ernte zum richtigen Zeitpunkt sei meistens ein größerer Hebel als perfekte Arbeit auf dem Feld. 40 Prozent der Aufgaben des Betriebs fänden inzwischen am Schreibtisch statt. Seine Eltern nerve das, er selbst sei damit aufgewachsen und kenne es nicht anders.
Die Arbeit auf dem Feld ist dem jungen Landwirt trotzdem lieber. Von Juli bis Mitte August muss er das Büro verlassen, denn bei der Ernte wird jede helfende Hand gebraucht. Für die Landwirte eine besondere Zeit: Das gesamte Arbeitsjahr läuft auf die Wochen der Ernte hinaus. Seine Mutter, die Auszubildende und er selbst haben in den vergangenen Tagen Gerste gedroschen; in den nächsten zehn Tagen wird Raps und Weizen geerntet.
Heutzutage ist es nicht mehr selbstverständlich, dass die eigenen Kinder den Familienbetrieb weiterführen. Neben Familie Bohrßen in Groß Munzel und Kai-Henrik Struß in Egestorf ist auch Gerald Henjes ein Beispiel dafür, dass es trotzdem vorkommt. „Man muss Lust haben, Landwirt zu sein“, unterstreicht er, weil er glaubt, dass gute Arbeit aus der Leidenschaft für den Beruf entsteht. In den Berufsschulen komme inzwischen die Hälfte der Azubis nicht mehr aus der Landwirtschaft, sagt er.
Die 130 Hektar Land seiner Familie erstrecken sich über Winninghausen und Hohenbostel. „Es ist gut, die Flächen direkt vor der Tür zu haben. So sieht man, was passiert.“ Die Nähe zur Natur schätzt der gebürtige Winninghäuser am meisten an seinem Beruf: „Ich mag diese gewisse Unplanbarkeit; nicht zu wissen, was in den nächsten drei Tagen kommt und dann die unvorhersehbare Herausforderung zu meistern.“ Der Erfolg seiner Arbeit ist abhängig von der Natur und ein Landwirt wie Gerald Henjes lernt deshalb schnell, mit einer gewissen Gelassenheit durchs Jahr zu gehen. Ganz nach dem Motto: „Wenn‘s nicht geht, dann geht’s nicht.“
Quellenangabe: haz.de Barsinghausen/Wennigsen vom 19.07.2024, Seite 1